Wolfgang Deppert spannt den Bogen weit. Er reicht von der Kritik an den Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Kritik an der Verschulung der Universitäten (Bologna Prozess) aber
auch bis zum Artikel 146 GG, der 25 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht erfüllt ist. Er lautet:
„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt,
die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
Kernpunkt der IWE ist die Anwendung der individualistischen Ethik auf das Gebiet der Wirtschaft. Einer seiner Kernsätze neben den zahlreichen Definitionen ist:
„Die Freiheit zur Ausbildung einer eigenen religiösen Sinnstiftung wird schon durch den Religionsunterricht in der Schule systematisch unterdrückt. Die damit verbundene Sinnleere gerade bei
jungen Menschen, die aufgrund der Sinnlosigkeit freiwillig in den Tod gehen oder noch eine Spur des Grauens durch einen Amoklauf hinter sich herziehen oder andere terroristische Aktionen
betreiben, geht auf das Konto verheerender kirchlich gelenkter Bildungspolitik.“
Die sechs Hauptüberschriften sind:
Natürlich kommen Depperts Definitionen der äußeren und inneren Existenz des Menschen vor. Hauptkritik ist, dass die innere Existenz des Menschen in unserem Casino-Kapitalismus nach wie vor ein Fremdwort ist. Damit wird der Motivationskern des Menschen auf den monetären Bereich reduziert. Zur Überlebenssicherung des kulturellen Lebewesens „Menschheit“ müssen aber alle Überlebensfunktionen angesprochen werden, die Deppert wie folgt gliedert:
In einer Zeit, in der Deutschland in Wirtschaft und Politik Gefahr läuft, zum Selbstbedienungsladen zu werden, erscheint mir der Ansatz der individualistischen Wirtschaftsethik (IWE) in höchstem
Maße bedenkenswert, der auf die Forderungen an den Einzelnen zurückgeführt wird:
Kümmere dich selbst aus Verantwortung vor und für dich selbst um Interessen anderer und gehe auf diese Interessen ein.
Unternimm aus Selbstverantwortung etwas, durch das du deine Leistung anbietest, die diesen Interessen anderer entgegenkommt.
Ein lesenswertes und bedenkenswertes Buch.
Ottobrunn, 24.1.2015 Horst Prem
Beim Seminar in Klingberg „Globales Lernen – Lokales Handel“ hat Peter Kriesel auf sein Büchlein im Klett-Verlag verwiesen. In diesem Büchlein sind aus der Sicht einer pluralen Gesellschaft die
ethischen Grundfragen behandelt.
Es ist das erste Ethik-Buch, in dem auch die Herleitung der Menschenrechte richtig dargestellt ist.
1789 hat nämlich die Französische Nationalversammlung die Menschenrechte auf Betreiben von Thomas Paine in nationales Recht umgesetzt. 1948 hat die UNO auf Druck französischer Intellektueller die
Menschnrechte erst auf die Tagesordnung gesetzt und dann am 8.12.1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte abgegeben.
Der Grundtenor liegt dabei auf der Betonung der Individualität der Menschenrechte. Anzumerken ist, dass leider der Hinweis auf den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag fehlt, der erst
2002 installiert wurde und die Menschenrechtsverletzung am Verhalten des Individuums spiegelt und festmacht. Dies ist auch deshalb wichtig, weil 1981 afrikanische Staaten und danach islamische
Staaten versucht haben, in die Menschenrechte aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit Rechte für Völker oder Rechte aus religiösen Vorstellungen hineinzuinterpretieren. Dies entspricht
wiederum einer Einschränkung der universalen Menschenrechte.
Kriesels Büchlein beschreibt die Zusammenhänge richtig. Es ist ein wesentlicher Beitrag zur Verankerung unserer Werte nicht in einer religiösen Tradition, sondern in der aufklärerischen
Erkenntnis, dass alle Menschen frei geboren sind und gleiche Rechte besitzen. Dennoch sind wir in der Welt, wie oben beschrieben, meilenweit entfernt von einem universalen
Konsens über die Menschenrechte.
Wichtig erscheint mir, dass Kriesel zusammen mit seinen Co-Autoren Bernd Rolf und Brigitte Wiesen ein Büchlein vorgelegt hat, das zur Werteorientierung in einer pluralen Welt beiträgt und das
„Gottesgnadentum“ in der Ethik überwindet.
P. Kriesel, B. Rolf, B. Wiesen, Grundwissen Ethik/Praktische Philosophie, Ernst Klett Verlag,
Stuttgart Leipzig, 1. Auflage 2007.
Horst Prem
„Globales Denken – Lokales Handeln“ setzt die Entkonfessionalisierung der Schule voraus. Genau das Gegenteil betreibt die Politik. Werte werden in noch mehr konfessionell getrennten Klassen
unterrichtet. Fahndungslisten und zusammengelegte Verfassungsschutzämter sollen helfen, die Orientierungslosigkeit junger Menschen in der pluralen Gesellschaft zu beheben.
Einzig das Land Berlin hat nach fünf Frauenehrenmorden einen verbindlichen Ethikunterricht für alle eingeführt. In der kanadischen Provinz Quebec hat ein gesellschaftlicher Konsens auf eine
offenen Laizität des Staates zur Entkonfessionalisierung der Schulen geführt.
Beschrieben sind diese Zusammenhänge in dem Büchlein von Jocelyn Maclure & Charles Taylor „Laizität und Gewissensfreiheit“. Quebec ist die erste westliche Demokratie, die ausgehend von einer
pluralen Gesellschaft einen verbindlichen Ethikunterricht für alle in staatlicher Verantwortung eingeführt hat. Es kommt damit der staatlichen Verpflichtung zur Integration in einer pluralen
Gesellschaft nach. Dieser Unterricht läuft unter der Überschrift „Ethik und religiöse Kultur“.
Die von jungen Menschen ausgeführten Attentate auf Menschen mit anderem kulturellem Hintergrund ob in Deutschland, Norwegen oder Frankreich sind bei aller strafrechtlichen Relevanz auch ein
Aufschrei, dass diese Menschen mit der Pluralität unserer Gesellschaften nicht mehr zurechtkommen.
In dem Büchlein „Laizität und Gewissensfreiheit“ sind Lösungsansätze aufgezeigt, die weit über neue Verfassungsschutzämter und Fahndungslisten hinausgehen. Dort heißt es auf S.74/75: „Unseres
Erachtens lässt sich ein ziemlich umfassender Konsens unter den sozialen Akteuren ausmachen,
die in den letzten Jahrzehnten über Laizität in Quebec debattiert haben.
Im Mittelpunkt diese Konsenses steht das, was im Bericht Prolux eine „offene Laizität“ genannt wurde und was wir hier als „liberal-pluralistisches“ Modell bezeichnen. Eine offene Laizität erkennt
an, dass der Staat neutral zu sein hat – Gesetze und öffentliche Einrichtungen dürfen weder eine Religion noch säkulare Vorstellungen begünstigen -, gleichwohl erkennt sie ebenso die Bedeutung
an, die die spirituelle Dimension der Existenz für einige Bürger hat, und die daraus folgende zentrale Aufgabe, die individuelle Gewissens- und Religionsfreiheit zu schützen.
Im Lichte dieser Vorstellung von Laizität hat sich die Mehrheit der Beteiligten beispielsweise gegen die Verlängerung der Ausnahmeklausel
ausgesprochen, die es den Schulen erlaubt, einen weitreichenden konfessionellen katholischen und protestantischen Unterricht anzubieten.
Anstatt zu fordern, dass die Religion vollständig aus der Schule verdrängt wird, wurde aber vielmehr vorgeschlagen, den konfessionellen Unterricht durch
ein Programm zu ersetzen, das den Schülern erlaubt, sich das erforderliche Wissen anzueignen, um die Erscheinungsformen des Religiösen in Quebec und anderswo zu verstehen, und die notwendigen
Fähigkeiten des Zusammenlebens im Kontext einer diversifizierten Gesellschaft zu entwickeln
– Ziele, die von dem neuen Unterrichtsfach „Ethik und religiöse Kultur“ übernommen wurden.“
Auf dem Klappentext des Büchleins im Suhrkampverlag steht: „Der Umgang mit moralischer und religiöser Vielfalt ist eine der größten Herausforderungen, mit denen unsere Gesellschaften gegenwärtig
konfrontiert sind“.
Horst Prem
Thomas Paine
The Age of Reason being an Investigation of True and Fabulous Theology
Mover of the "Declaration of Independence", Secretary of Foreign Affairs under the First American Congress, member of the National Convention of France, and Author of "Common Sense", "The
Crisis", "Rights of Man" etc.
Quelle: Library of Congress, Washington D.C
als kostenloser Download verfügbar